Antisemitismus-Forschung: Kaffeesatzleserei oder Wissenschaft?


So hieß zwar nicht das Thema des „wissenschaftlichen“ Symposiums vom 23./24.04. 2009 in Jena, aber einige Zuhörer dieser Veranstaltung fragten sich schon bald, was das ganze denn noch mit Wissenschaft zutun habe. Dabei klang das Thema „Aktueller Antisemitismus – ein Phänomen der Mitte?“ vielversprechend – und angesichts etlicher „Prof.Dr.“-Schildchen auf dem Podium warteten die Zuhörer gespannt auf die „Forschungsergebnisse“. Man war ja schließlich zu einem „wissenschaftlichen“ Symposium angereist.

Nur: da konnten sie lange warten. Denn statt Wissenschaft bekamen sie anderthalb Tage lang die Starallüren selbsternannter „führender“ Antisemitismusforscher serviert. Und die wurden vom organisatorischen Begleitpersonal der Friedrich-Naumann-Stiftung geradezu ehrfürchtig-devot mit ihren Titeln angekündigt:

  • Prof.Dr. Andreas Zick,
  • Prof.Dr. Monika Schwarz-Friesel,
  • Prof.Dr. Wolfgang Benz,
  • Dr. Samuel Salzborn,
  • Prof.Dr. Helga Embacher
  • oder Dr.Margit Reiter:

es kreist einem das Gehirn vor lauter Professoren. Diese an ihren Titeln und Vortragsfolien klebenden akademischen Wichtigtuer waren noch nicht einmal in der Lage, ihren jeweils 45-minütigen Vortrag frei zu halten. Nein, da standen die Damen und Herren Akademiker am Rednerpult und lasen vom Blatt ab – wahrlich erbärmlich, wo unsereiner doch schon im dritten Semester Mathematikstudium angehalten wurde, seine Beweise gefälligst auswendig vorzutragen. Um es deutlich zu sagen: das Podium strotzte nur so vor akademischem Dünkel.

Trotzdem wäre es ja möglich gewesen, daß die Vorträge noch das eine oder andere „wissenschaftliche“ Resultat enthalten hätten. Doch schon beim zweiten Vortrag von Samuel Salzborn hatten manche Zuhörer den Eindruck, sie wären in einem psychotherapeutischen Seminar gelandet. Salzborn, derzeit in Gießen mit einer Vertretungsprofessur für Politikwissenschaften beschäftigt und von der Veranstaltungsleitung mit „guten Wünschen“ für seine anstehende Habilitation bedacht (mußte das sein?), dieser angehende Professor hatte nämlich sog. „offene Tiefeninterviews“ mit Leuten aus einer Stichprobe einer Stichprobe geführt. Als Obermenge diente ihm dabei der sog. „GMF-Survey 2005“, eine Studie der Unis Marburg und Bielefeld zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF). Auf meine Frage nach der Größe seiner „Stichprobe“ antwortete Salzborn, daß es letztlich nur 10 verwertbare Interviews gegeben habe. Es bleibt das Geheimnis des Politikwissenschaftlers, wie man aus schlappen 10 Interviews, durchgeführt mit Probanden (und Probandinnen, der Referent bediente sich einer verkrampften feministisch korrekten Sprechweise) auf dem katholischen Kirchentag 2005 schlußfolgern kann, daß latenter Antisemitismus ausgeprägter ist als in bisherigen quantitativen Studien ermittelt (so Salzborn). Zwei Mediziner und ein Chemiker, die neben mir saßen, konnten ihre Enttäuschung über diese Art der Argumentation nicht verbergen. Sie fragten sich, wo denn hier die „Wissenschaftlichkeit“ des Symposiums geblieben sei.

Nun sollte man nicht vorschnell wegen eines einzigen Vortrags alles in Frage stellen, was Salzborn bisher geschrieben ist. Sicher hat er seinen Titel verdient (demnächst), aber – um nur ein Beispiel zu nennen – warum um alles in der Welt hat er dann nicht seinen Artikel „Antisemitismus in Deutschland – Kritische Analyse der Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann-Stiftung“ (erschienen in der Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis des Judentums) einfach auf dem Symposium in Jena vorgestellt? Meinetwegen hätte er ihn auch ablesen können, aber das wäre immer noch besser gewesen als „wissenschaftliche Schlußfolgerungen“ aus „Tiefeninterviews“. Die waren nämlich alles andere als „wissenschaftlich“.

Auf jeden Fall aber besser als das, was die beiden Österreicherinnen Embacher und Reiter mit ihrem anschließenden Vortrag „(Neuer) Antisemitismus & Antiamerikanismus in Deutschland und Großbritannien – Parallelen und Unterschiede“ von sich gaben. Der hörte sich an, als hätten die beiden aufmerksam Zeitung gelesen – wie Millionen anderer Menschen auch. Nur suchte man vergeblich nach den „wissenschaftlichen Ergebnissen“. Vielleicht hatten die beiden sie beim Heurigen wieder vergessen – oder einfach auch gestrichen, wegen der vielen Nichtakademiker, die ihnen beim Symposium zuhörten. Alles, was Embacher und Reiter in Jena von sich gegeben haben, war bekannt. Niemand behauptet, daß diese beiden überhaupt nichts von der Sache verstünden. Ihre Liste von Veröffentlichungen ist zumindest beeindruckend, und sicher ist da einiges drunter, was zu einem besseren Verständnis von Antisemitismus in Österreich, Europa oder wo auch immer beiträgt. Oder bescheidener: zur Abrundung der schon vorhandenen Informationen. Nur: jeder mittelmäßig begabte Internetnutzer hätte das Material für diese Vorträge in wenigen Stunden zusammengeklickt – ohne staatliche Stipendien oder Professorengehalt. Das ganze noch ausgeschmückt mit „kognitiven Dimensionen“, „halbierter Empathie“, ein paar „kontrastiven Elementen“ und ein bißchen „komparativer Vorurteilsforschung“ – und schon steht man auf dem Podium und verkündet dem gemeinen Publikum „Forschungsergebnisse“. Wie bei Salzborn greift man sich an den Kopf und fragt sich: wie kann man sich nur so schlecht verkaufen…


Die einzigen, die (neben Yves Pallade vom B’nai B’rith Institut in Berlin, siehe weiter unten) auf diesem „wissenschaftlichen Symposium“ wirklich beeindruckten, waren die beiden Journalisten Ester Schapira und Georg Hafner. Die zählen zwar nicht zur ach so wissenschaftlichen Elite deutscher Antisemitismusforscher, dafür leisten Sie aber als Journalisten Aufklärungsarbeit, die es in sich hat. Die zwei Filme über den (angeblichen) Tod des Palästinenserjungen Mohammed al-Dura, ihr mutiges und resolutes Auftreten gegen den islamistischen Sänger und Steinmeier-Freund Muhabbet und ihre Kommentare in den ARD-Tagesthemen sind hundertmal wirkungsvoller als noch so viele Kongresse, Symposien oder Konferenzen, sofern es bei denen um die Selbstdarstellung von akademischen Phrasendreschern geht.

Nach dem eher einschläfernden Vortrag der beiden Österreicherinnen wurde es erst wieder am Abend richtig lebhaft, als man zur Podiumsdiskussion schritt: da saßen dann Benz, Embacher, Schwarz-Friesel, Zick und ganz rechts außen ein Störenfried auf dem Podium: Yves Pallade, der Direktor des B’nai B’rith Instituts in Berlin. Und der brachte die ganze Professorenriege massiv gegen sich auf. Und nicht nur die: im Publikum saß direkt hinter mir Werner Bergmann, auch ein Professor des Benz’schen Instituts aus Berlin, der hörbar vor Empörung schnaufte, als Pallade es wagte, an Konstruktionen wie „GMF“ und „Vorurteilsforschung“ Zweifel anzumelden. Und um selbst seine historisch/soziologische oder Sonstwie-Kompetenz dem Publikum zu demonstrieren dröhnte er nach einem Zitat Adornos in Richtung Podium:

Zwischenruf von Werner Bergmann:

Wie heißt denn diese Schrift? Wie heißen denn diese Adorno-Schriften?… Also ich meine, Sie haben einfach historisch keine Ahnung…

Pallade hatte es doch tatsächlich gewagt zu behaupten, Adorno und Horkheimer hätten ganz sicher den Antisemitismus völlig anders gesehen als die Vorurteilsforscher aus Berlin. Das konnte Bergmann natürlich nicht auf sich sitzen lassen, wo er doch sämtliche Adorno-Schriften komplett in der Birne hat. Inclusive der Bemerkungen Adornos über die „Negermusik“ Jazz: „Das sozial nicht konformierende Moment des Jazz mag in seiner Zwischengeschlechtlichkeit gelegen sein“, ein Satz, der deutlich macht, was Adorno besonders gut konnte: über Dinge schwafeln, von denen er nichts verstand. Es wäre besser gewesen, man hätte Adorno in dieser Diskussion gar nicht erst erwähnt, denn bei ihm handelt es sich um einen angstgetriebenen, einzelgängerischen Besser- und Alleswisser, der angesichts seiner geistigen Superiorität seine physische Unterlegenheit als eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und Schmach empfindet und daher die vielen, stärkeren, dümmeren Anderen auch moralisch disqualifizieren muß.[3] Und um der Majestätsbeleidigung noch eine weitere hinzuzufügen: wer Leute wie Walter von Waltershausen („Das Saxophon klingt wie der Gesang eines kastrierten Negers…“) zustimmend in seinen „Werken“ zitiert, hat sowieso nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Ähnlich beleidigt gab sich auch Andreas Zick, als Pallade das ganze Konzept der GMF/Vorurteilsforschung in Frage stellte. Doch ganz zu Anfang der Diskussion gab es ja noch keine „Kontroverse“, und daher war auch das erste Statement von Zick eine in ruhigem Ton vorgetragene Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen:

Zick:

Ich glaube daß es zentral beim Antisemitismus um Dominanz geht, es geht um die Hierarchie „wer ist oben, wer ist unten“, „wer ist draußen, wer ist drin“, es geht um soziale Rangfolge, und da spielen die Juden, und das Judentum spielt ne Rolle für unsere Gesellschaft. Ich glaub es geht darum daß es leichter ist sich zu solidarisieren, und im Nahostkonflikt ist diese Solidarisierung so leicht, weil sie emotional aufgeladen ist. Also, es ist ein ferner Konflikt, für alle von uns, es ist ein ferner Konflikt, für die meisten zumindest, und es fällt leicht, sich dort mit den Opfern, den Palästinensern, zu solidarisieren. Es sind stereotype Bilder von den Opfern. Und das ist, wenn ich Ihre Ergebnisse aus der Studie angucke, ganz funktional, diese Solidarisierung hat ’ne ganz funktionale Entlastung. Und so erkläre ich mir das, warum diese, diese Solidarisierungen so oft so unbalanciert sind, so schief sind.

So einfach ist das alles. Die Diskussion war eröffnet und die Phrasendreschmaschine lief auf vollen Touren: zentral geht es um Dominanz, oben und unten, rechts und links, vielleicht noch Yin und Yang, 0 und 1, funktionale Entlastung durch Solidarisierung, stereotype Bilder, und schon sind die Ergebnisse „aus Ihrer Studie ganz klar“. Wie sagte doch Cem Özdemir einmal bei Frank Plasberg: „der Islam ist nicht das Problem, es ist alles ’ne soziale Frage“. Es ist eben alles irgendwie ’ne Frage. Und Soziologen können darauf auch irgendwie ’ne Antwort geben.

Auf „Zwischenergebnisse“ seiner Studie in 8 verschiedenen Ländern angesprochen sagte Zick:

Zick: Ich bin verantwortlich für die Langzeitstudie „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“…in Deutschland das Syndrom der Menschenfeindlichkeit, können wir auch noch mal drüber reden, Antisemitismus ist Element eines Syndroms von Abwertung.

Und schon sind wir beim Zunftjargon der Sozialwissenschaftler, Soziologen und Psychos, der es erlaubt, das Dürftige, das Selbstverständliche, das Halbgedachte als neu und bedeutend zu verkaufen, indem es mit gespreizter Syntax in exotische Abstrakta gegossen wird [2]. Denn Syndrom ist heutzutage eigentlich alles: mit 10 hat man das Zappelphillip-Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)), später dann das Peter-Pan-Syndrom, weil man nicht erwachsen werden will, und spätestens ab 30 hat man mindestens ein psychosomatisches Syndrom, damit der Psychotherapeut um die Ecke auch was zu tun hat. Im fortgeschrittenen Alter kommt bei manchen Antisemitismusforschern noch das Henryk-Broder-Angst-Syndrom hinzu – siehe die abfälligen Bemerkungen von Benz über den „politischen Aktivisten“ Broder und über „Internetforen“ und gewisse Blogger in seinem ersten Vortrag.

Warum Zick die eigene Arbeit so grottenschlecht dargestellt hat, ist mir ein Rätsel. Mehr noch verstehe ich nicht, warum er so beleidigt auf die Kritik von Yves Pallade reagierte, wenn an der GMF-Theorie doch etwas dran sein sollte. Auch Wolfgang Benz lief rot an, als Pallade anfing, aus einem der Bücher von Benz vorzulesen. Benz: Also lassen wir doch jetzt diese Spielchen mit Zitaten…
Tja, wenn man noch nicht mal mehr zitieren darf, dann braucht man die Werke der Professorenriege ja auch nicht mehr zu lesen. Nein, ein bißchen mehr Offenheit für Kritik sollte man schon zeigen. Und in Zukunft auf Podiumsdiskussionen vielleicht auch mal ein Namensschildchen ohne den Titel „Prof.Dr.“ vor sich auf den Tisch stellen. Oder wäre das zu viel verlangt?


Anhang

(Fast) vollständige Mitschrift der Podiumsdiskussion

Auf die Frage, warum sich so viele Menschen vornehmlich über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern aufregen, nicht aber über andere Konflikte, und ob das daran liegen könne, daß es bei den „anderen Konflikten“ nicht um Juden gehe, antwortete Yves Pallade:

Pallade:
Genau deshalb. Es geht mit Sicherheit dabei nicht um die Palästinenser…aber lassen Sie mich doch nur mal kurz auf (weil Herr Zick es ansprach) die GMF zurückkommen und auf die Frage der Spezifik des Antisemitismus. Also ganz ehrlich, ich muß sagen, in jüngerer Zeit bewegt sich die Antisemitismusforschung in eine Richtung, in der sie sich zunehmend als Vorurteilsforschung begreift. Und ich denke, der Begriff Vorurteil trifft das, was Antisemitismus ist, überhaupt nicht. Vorurteil ist ein Urteil, das man sich vielleicht vorstellt, gebildet hat ohne genaue Prüfung der Fakten. Was dann auch entsprechend revidiert werden könnte, was hier aber vielleicht richtig ist. Aber es beschreibt überhaupt nicht das, was Antisemitismus ist.
Adorno und Horkheimer hatten bereits in den 50ern festgestellt, daß Antisemitismus, oder Antisemiten aufklärungsresistent sind, d.h. Vorteilen kann man mit Fakten ggf. beikommen, beim Antisemitismus stößt man auf eine entsprechende Hermetik, wo es das nicht gibt, insofern würde ich diesen Begriff Vorurteilsforschung sehr sehr sehr stark ablehnen, ebenso den Begriff der GMF, der eigentlich nichts anderes besagt, als daß es irgendwelche gibt, die andere nicht mögen.
Die Frage ist: was gewinnen wir eigentlich mit solchen Binsen? Ich würde sagen: nichts. Was verliert man damit? Ich würde sagen: jeden kritischen begriff davon, was das Spezifische des Antisemitismus ist, denn, und hier möchte ich Herrn Zick ausdrücklich widersprechen: beim Antisemitismus geht es eben nicht nur um eine „Abwertung“, wie das beim Rassismus der Fall ist, sondern es geht durchaus um eine Ambivalenz im Sinne von Zuschreibungen, die durchaus abwertend sind, also der Jude als Stürmerkarikatur mit krummer Nase etc., beispielsweise auch bestimmten Fantasien und Wünschen, die auf die Figur des Juden projiziert werden, die diesen aufwerten, beispeilsweise der Jude als geheime Macht, als jemand, der die Welt kontrolliert, die Medien etc.

Das beides in einen Topf zu packen, daraus lernen wir nichts, und ich sehe da, mit Verlaub, muß ich mal überlegen…auf diesem Podium scharf widersprechen…
ich sehe in der deutschen Antisemitismus-Forschung zunehmend eine Begriffslosigkeit, nicht, und wenn ich von der deutschen Antisemitismus-Forschung spreche, sage ich, daß es auch Ausnahmen gibt, aber ich spreche von gewissen Tendenzen, die auch an bestimmten Instituten festzumachen sind, die in diesem Rahmen sehr prominent sind, und was ich damit sagen will…

Benz schreit dazwischen, Frau Schwarz-Friesel sichert ihm zu, daß er gleich zu Wort kommen darf.

Pallade:
…es wird behauptet, der Antisemitismus selbst droht im allgemeinen Vorurteil aufzugehen bzw. das Spezifische an ihm verlorenzugehen. Ich möchte das an einem kleinen Beispiel demonstrieren, Herr Benz, denn Sie schreiben bespielsweise in Ihrem Buch „Was ist Antisemitismus ?“ (was ich jedem hier wärmstens empfehlen möchte, zur kritischen Lektüre elbstverständlich): Sie bezeichnen den Antisemitismus als Ressentiment, als inneren Vorbehalt gegenüber der jüdischen Minderheit, als Einstellung vor allem aber als Vorurteil. Ich habe eben meine Kritikpunkte an den Begriff Vorurteil geäußert, ich habe eben auch meine Kritik am Begriff der gruppenspezifischen Menschenfeindlichkeit geäußert, ich möchte an diesem Punkt erst mal stoppen, damit Sie auch erwidern können.
Benz:
Ja, nicht daß wir jetzt auch noch vom Gleise abkommen. Antisemitismus-Forschung ist jetzt nicht neuerdings und jüngst Vorurteilsforschung geworden, Antisemitismus-Forschung ist immer schon Vorurteilsforschung, das mag jetzt für die politischen Aktivisten, nicht äh… Henryk Broder z.B. das kürzlich Antisemitismus-Forschung als Kaffeesatzleserei abgetan und..das kann man so machen, eine Meinung dazu ist berechtigt, aber wenn man sich mit Antisemitismus beschäftigt, kommt man über den Begriff des Vorurteil, der über Stereotype seit Jahrhunderten transportiert wird, einfach nicht vorbei. Da mag der politische Kampf wogen, wie er will, aber Forschung beschäftigt sich, Antisemitismus-Forschung muß sich notgedrungen mit Vorurteilen beschäftigen, und er tut das seit eh und je. Manche haben da jetzt entdeckt…daß die Antisemitismus-Forschung sich auch mit Vorurteilen gegen andere Minderheiten beschäftigt, aber das ist auch uralt, und das ist, seit man von Antisemitismus-Forschung sprechen kann, ist das so, aber ich glaub das muß man nicht weiter vertiefen, es bringt auch nichts, wenn man jetzt hier soz. Kritik an prominenten Instituten oder so…
Pallade:
Es geht nicht um das Institut, Herr Benz, es geht darum, daß wir als Forscher auch selbstkritisch unsere Forschung betreiben. Und da ist es durchaus wichtig, daß man die Spezifik des Forschungsgegenstandes auch nicht aus dem Auge verliert. Meine Befürchtung ist, daß es eine Tendenz gibt, ich meine sogar, diese Tendenz festmachen zu können, jetzt nicht nur an Ihrem Institut, sondern durchaus auch in der breiteren öffentlichen Debatte, daß nämlich zunächst einmal Antisemitismus-Forschung als Voruteilsforschung dargestellt wird, ich glaube Adorno und Horkheimer hätten das anders gesehen in den 40ern

Zwischenruf von Werner Bergmann:

Wie heißt denn diese Schrift? Wie heißen denn diese Adorno-Schriften?… Also ich meine, Sie haben einfach historisch keine Ahnung…
Pallade:
Adorno und Horkheimer haben darauf Bezug genommen, und daher kommt auch der Satz, der Antisemitismus sei das „Gerücht“ über die Juden….Dieser Satz wird häufig out-of-context zitiert. Was sie eigentlich damit meinten, ist , daß dem Antisemitismus eben nicht mit den üblichen Vorurteilen beizukommen ist, durch Aufklärung. Sondern was sie damit feststellten, war eben diese Resistenz, die Hartnäckigkeit , diese Beharrlichkeit, daß wenn man einem Antisemiten ein rationales Argument gebracht hat, er zu (unverständlich)…, das ganze zirkular, geradezu hermetisch war.

Ich denke, dem wird der Begriff Vorurteilsforschung in keiner Weise gerecht, und ich befürchte noch ein weiteres, ich möchte diesen einen Schritt noch weitergehen, im Vergleich zum angeblichen antimuslimischen Ressentiment oder ganz offensiv auch im Terminus „Islamophobie“, dem Sie ja auch jetzt nicht abgeneigt gegenüberstehen, diesen Vergleich davon mit dem Antisemitismus, ja, werden die moralischen Phrasen der politische Imperativ, nämlich gebündelt in diesen Formeln: „Nie wieder Auschwitz“, transformiert. Die Muslime werden tendenziell als Juden von heute dargestellt. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist Thema Nr.1, nämlich die Behandlung des islamischen Antisemitismus. Ich möchte mich auch scharf abgrenzen von dem Begriff „radikaler Islamismus“, ich frage mich, wenn es einen radikalen gibt, dann muß es auch einen moderaten geben, und die Frage ist, wie verhält es sich mit dem Antisemitismus beim moderaten Islamismus, den gibt es nämlich auch, und selbst in Spektren des Islam, die nicht als „islamistisch“ gelten. Diese Themen werden meines Erachtens von der Forschung weitestgehend ignoriert.

Schwarz-Friesel:

Gut, Herr Pallade, Sie haben jetzt eine sehr kritische Stellungnahme gegeben, lassen Sie mich vielleicht kurz einhaken. Ich denke, es ist eine Sache, zu konstatieren, daß Antisemitismus resistent gegenüber jeder Form von Aufklärung seit 2000 Jahren ist, und es ist eine andere Sache, Antisemitismus nicht als Vorurteilsstruktur zu sehen. Was denn sonst? Was ist es denn sonst? Also ich würde es auf jeden Fall in der Reihe der Vorurteilsstrukturen ansiedeln , wenn es auch, wie gesagt, und das bestreitet ja auch Herr Benz in keiner Weise, wenn es auch resistent ist, also man kann ja aufklären wie man will, das sehen wir alle als Antisemitismus-forscher, verändert sich etwas durch diese Aufklärungsarbeit? Nicht viel, wir erreichen, das sehen wir bei diesem Podium, ohnehin Menschen, die sich für das Thema interessieren, die sensibel, die aufgeschlossen sind, die sich Sorgen machen, eigentlich müßten jetzt hier die Extremisten sitzen, eigentlich müßten jetzt hier glühende Israelhasser sitzen, die müßten wir erreichen, das tun wir nicht.
Pallade:

Kann ich kurz dazu Stellung nehmen? Ich denke, der Antisemitismus ist eben nicht ein Vorurteil im Sinne beispielsweise der verschiedenen Listen, die vom Institut von Professor Heitmeyer untersucht werden, und ich denke, es handelt sich beim Antisemitismus um eine Welterklärung und Welterlösungsideologie. Nämlich der Jude als negatives Prinzip als solches. Beispielsweise Israel: der israelkritische neue Antisemitismus suggeriert, ohne Israel gebe es keinen Nahostkonflikt, keinen Clash of Civilization, sondern Eintracht zwischen den Kulturen. Wir werden derartige Zuschreibungen nicht finden, nicht in Bezug auf Muslime, nicht in Bezug auf andere Gruppen, ich denke das ist durchaus einer der spezifischen Aspekte des Antisemitismus, ich könnte jetzt weiterhin andere nennen, denn eben, das zeichnet ihn aus, er ist kein Vorurteil, er bedient sich bestimmter Vorurteile, aber Vorurteile kann man widerlegen, Vorurteile sind auch manchmal wichtig, aber der Antisemitismus ist eine absolut irrationale Struktur.
Schwarz-Friesel:
Ich denke, das sind die meisten Vorurteile…. aber Herr Zick möchte jetzt unbedingt etwas sagen.
Zick:
…Also, es verwundert mich, daß Sie das Vorurteil definieren, in einer Art und Weise, wie es eigentlich in der modernen Vorurteilsforschung nicht mehr üblich ist, und dann sagen, ’s ist kein Vorurteil, ’s ist Rhetorik. Ich glaub wir sind in der Vorurteilsforschung weiter und die Antisemitismus-Forschung hat viel gewonnen durch die Vorurteilsforschung, weil die Vorurteilsforschung enorm viele Theorien bietet, die es uns erleichtert haben, den Antisemitismus zu verstehen. Aber, Sie haben vollkommen recht, sie haben ja vollkommen recht, daß Antisemitismus etwas spezifisches sei. Es ist doch totaler Quatsch, als wenn hier auf dem Podium jemand hingehen würde und würde den Antisemitismus und alles in einen Topf verrühren. Wenn ich hier allerdings von GMF rede – ich verteidige mich jetzt – es ist vielleicht auch sinnvoll, wenn wir hier eine gegenteilige Position haben. Wenn wir empirisch ermitteln, über 6 Jahre, mit mehreren relativ aufwendigen statistischen Verfahren testen gegen die Hypothese „Es gibt keine Zusammenhänge“, und finden, dass nun zumindest der klassische Antisemitismus signifikant mit anderen Elementen eines sog. Syndroms zusammenhängt, was heißt denn Syndrom? Syndrom heißt: verschiedene Facetten des Vorurteils hängen eng miteinander zusammen. Antisemitismus und Feindseligkeit gegenüber dem Islam, Obdachlosenablehnung und und und…die sind verbunden über eine Zustimmung zu einer generellen Ungleichwertigkeit. Wenn wir das empirisch finden, dann lasse ich mir das hier jetzt nicht wegdiskutieren. Es tut mir leid, ich lasse da als empirischer Sozialforscher die Daten sprechen, die auf einer theretischen Grundlage natürlich gewonnen werden. Und das müssen wir…ich finde, die Antisemitismus-Forschung gewinnt dort. Zweitens: …ich geh jetzt zu dem Projekt GMF, das ich derzeit leite, wir sind hingegangen im Jahre 2004 und haben gesagt: laßt uns doch mal empirisch ermitteln, welche Facetten es gibt, der Antisemitismus hat sehr unterschiedliche Facetten, wir Facetten im Antisemitismus, die wir in keinem anderen Vorurteil finden. Da haben wir den NS-Vergleich, da haben wir die as Israelkritik, wri haben den separatistischen Antisemitismus, das ist ja eine Komponente,
(unverständlich)…ich nenne es separatistisch, weil eine Facette des Antisemitismus, die stärker ist als bei anderen, daß man Juden nicht als Teil der eigenen Referenzgruppe, also der nationalen Gruppe oder so betrachte. Sie sind loayler gegenüber Israel, d.h. üder das – jetzt sag ich wieder – Vorurteil…ich versteh Ihre Kritik, wenn ich Ihrer Definition folge, dann würde ich auch sagen, dann reden wir nicht mehr von Vorurteil.
Ja, ich bin doch total bereit, ich habe Bücher geschrieben über Vorurteile, also da steht diese Definition wird da nicht mehr verwandt.Da ham Sie vollkommen recht. Aber da sind wir ja zum Glück weiter.
Pallade:
Da wage ich Zweifel anzumelden. Gerade eben, weil über dieser Begrifflichkeit „Vorurteilsforschung“ hier mittlerweile ja verschiedenen andere „ismen“, Rassismus, Islamophobie mit hineingenommen wird, es findet aber keine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Islamophobie statt, und dessen Verwendung im aktuellen Kontext bespielsweise durch islamische Organisationen. Ich komme grad aus Genf von der Durban Review Konferenz, Sie müssen sich mal angucken, wie dort praktisch über Jahre hinweg in internationalen Organisationen über den Begriff Islamophobie Politik gemacht wird und quasi jegliche Kritik an islamischer Herrschaftspraxis, die traurige Realität für viele Menschen in vielen Ländern ist, mit Antisemitismus gleichgesetzt wird.
Schwarz-Friesel:
Aber Herr Pallade, das wird doch auch kritisch angemerkt. Also das muß ich doch mal auch hier nennen.
Es gibt doch immer wieder vermehrt auch kritische Stimmen die sagen, sei es jetzt aus Angst, siehe die Raktion aus Dänemark, der Karikaturenstreit, oder aus falsch verstandener Toleranz, diese beiden Argumente werden doch mehr und mehr auch von kritischen Forschern genannt. Sie haben recht, es wird zu wenig betont, aber es ist nicht so, daß es verschwiegen oder beschönigt wird, aber es ist sicherlich ein Feld, was noch in die Forschung getragen werden muß. Ich glaube da sind wir uns auch alle einig. Bleiben wir aber doch bei dem Punkt, den Sie auch kritisch angesprochen haben, Antisemitismus als etwas besonderes. Ich glaube auch, daß bei allen Kontroversen hier auf dieser Podiumsdiskussion da kein Dissens besteht. Herr Benz beschäftigt sich jetzt nun schon seit so vielen Jahren und Jahrzehnten mit Antisemitismus und bislang habe ich noch nie von ihm etwas gegenteiliges gehört, also daß er eben auch sagt, Antisemitismus hat natürlich etwas singulares an sich in der Vorurteilsstruktur, also andere Komponenten, und was Herr Zick angesprochen hat, das komparative oder kontrastive Vorurteilsforschung doch eigentlich auch den erhellenden, den aufklärenden Vorteil hat, daß wir eben gerade glasklar in Abgrenzung zu anderen gruppenfeindlichen Vorurteilsstrukturen wie dem, daß der Antisemitismus nicht nur das älteste Vorurteil oder Ressentiment, Stereotypensystem der Welt ist, sondern auch das resitenteste, und daß bestimmte es Aspekte (NS-Vergleiche, aktueller Transfer etc.) gibt, die wir eben bei anderen Formen nicht finden. Herr Benz, ich wollte Sie eigentlich fragen, wie erklären Sie sich das, Sie beschäftigen sich nun schon so lange mit historischem und aktuellen Antisemitismus. Warum ist gerade der Antisemitismus so resistent gegenüber alklen Aufklärunsgversuchen, die wir ja nunn wirklich nach Auschwitz jahrzehntelang hier haben?
Benz:
So resistent ist er gar nicht. Das ist er..das ist ..äh ja… hab ich jetzt was falsches gesagt? Na, sie sind so erheitert!(Zu Zick, dessen Lächeln Benz wohl als Angriff empfand) So resistent ist er nicht, denn man hat…die Resistenz… zeigt sich in unseren Medien. Wenn jemand jetzt dann …in regelmäßigen Abständen wird beklagt daß man wieder da sei wo man 1933 schon war, und es sind in den vergangenen 10-12 Jahren seitdem das immer wieder behauptet wird nie dagewesen wo man 1933 war, und zwar, weil die Medien etwas ganz anders reagieren als die Medien in der Weimarer Republik, die zu einem beträchtlichen Teil antisemitisch waren, die undemokratisch waren, und da gibt es also jetzt die Lehrstücke Möllemann/Hohmann, und das waren verlockende Versuche, Dämme einzureißen, und zwar aus relativ seriösem Hintergrund. Das waren ja jetzt nicht Angebote aus der rechten Schmuddelecke, iregndwo von der NPD oder so, sondern das kam von solidem Hintergrund, es hat nicht funktioniert, es war eine ziemliche Anstrengung (unverständlich), aber wenn es so wäre, daß Antisemitismus so vollkommen resistent ist und daß man überhaupt gar nichts machen kann, woraus ja dann die Folge wäre, dann soll mans doch gleich lassen, dann kann man ja, wenn man ohnehin nix dagegen machen kann, muß man das auch auf sich beruhen lassen. (Welche Kurzschlüsse sich jetzt gerade in Benz‘ Hirn abspielen, kann sich der Leser dieser Zeilen gut vorstellen. Ach ja, Herr Salzborn, die Leserinnen natürlich auch!) .
Man kann etwas dabei machen, wir werden das Unheil nicht zum Verschwinden bringen, das wäre eine Illusion. Aber, die ganze aufklärerische Anstrengung ist notwendig und insofern erfolgreich, als wir es kleinhalten müssen und kleinhalten können.
Schwarz-Friesel:
Frau Embacher, Herr Benz hat gerade gesagt, wir sind natürlich weit von 1933 entfernt, dem stimme ich zu, ich würde es aufgrund unserer Analyse zugespitzt so sagen: Während ab 1933 der Antisemitismus buchstäblich von der Regierung, also von oben kam, kommt er jetzt von unten, d.h. aus den Teilen der Bevölkerung. Nun haben Sie in Ihrem Vortrag aber auch auf Livingston beispielsweise oder auf bestimmte Institutionen an englischen Universitäten. Sind es also doch auch wieder teilweise Institutionen, teilweise wieder Politiker in Europa, die ob jetzt bewußt oder unbewußt Antisemitismus in die Öffentlichkeit tragen?
Pallade:
Kann ich hierzu kurz Stellung nehmen? Ich muß Ihnen vollkommen beipflichten: natürlich gibt es jüdische Antisemiten, und ich glaube, Tony Judd gehört dazu. In diesem Zusammenhang ist Livingston zu nennen: natürlich ist Livingston Antisemit. Das Problem mit dem neuen Antisemitismus ist weil wir uns ja gerade über die Definition gestritten haben, oder überhaupt über die Tatsache: gibt es einen neuen Antisemitismus, da wurde geredet über neue Trägergruppen des neuen Antisemitismus, über alte Stereotype, die aber jetzt auf Israel fokussiert werden…Ich würde sagen: ein wirklich markantes Charakteristikum des neuen Antisemitismus ist das Phänomen des Antisemitismus ohne Antisemiten. Heutzutage: der Antisemitismus, als solcher überführt, er ist gesellschaftlich geächtet, was nicht heißt, daß es ihn nicht gibt, bloß diejenigen, die sich antisemitisch artikulieren, können das über diejenigen Kanäle tun, die entsprechend legitim und sozial akzeptiert sind. Das geschieht häufig über vermeintliche Israelkritik, und genau da setzt das Phänomen auch an: jemand wie Livingston, der zudem auch noch seine Israelkritik mit der Person eines jüdischen Journalisten verbunden hat, dem er unterstellt hat, daß dessen Vater ein KZ-Wächter sei, also den nicht Antisemiten zu nennen, dann frage ich mich, wer ist es dann? Ich glaube das ist wirklich ein Phänomen, daß man heutzutage diese neuen Antisemiten, die sich hier nicht als Nazis artikulieren, sondern aus der Mitte heraus, oder aus dem linksliberalen Selbstverständnis heraus, daß man die nicht als solche benennt. Dann heißt es, derjenige habe sich antisemitisch geäußert, aber daß er ein Antisemit ist, das findet nicht statt, und ich muß auch da wieder sagen, in der Antisemitismus-Forschung hat keiner ein Problem, rechtsradikale Protagonisten eines Antisemitismus beim Namen zu nennen, einen Horst Mahler, oder einen Deckert, wie sie alle heißen, wohl aber jene Personen, die eben nicht schon ohnehin am rechten Rand stehen sondern sich in der Mitte der Gesellschaft bewegen: ein Blüm, ein Möllemann, ein Hohmann, und wie sie alle heißen, sie werden von der Antisemitismus-Forschung nicht klar als Antisemitismus benannt.
Schwarz-Friesel:
Das stimmt nicht! Herr Benz hat ausdrücklich zu Hohmann – ich hab das Interview damals gesehen – ganz klar und dezidiert darauf hingewiesen, daß die Rede von Hohmann durchsetzt ist mit allen klassischen Antisemitismen, die man sich nur vorstellen kann.
Pallade:
Kann ich den Gegenbeweis aus Herrn Benzens Buch antreten, wenn wir schon in einer wissenschaftlichen Debatte sind, sollten doch auch Zitate erlaubt sein…Und zwar damals hat ein gewisser General Günzel, sie werden sich alle erinnern, Partei ergriffen für Martin Hohmann. Herr Benz schriebt nun in seinem Buch „Was ist Antisemitismus?“ (Zitat): „Vermutlich hat er, (gemeint war General Günzel) die Rede Hohmanns gelesen oder nur die patriotischen Parolen wahrgenommen, denn auch der General ist gewiß kein Antisemit. Der Brigadegeneral hat überdies Geschichte und Philosophie studiert und damit doch eigentlich das Rüstzeug erworben, um die Argumentation Hohmanns zu durchschauen.“ Also…
Benz:
Also lassen wir doch jetzt diese Spielchen mit Zitaten…
Pallade:
Das steht hier in Ihrem Buch!
Benz:
Ich habe ganz erheblich.. persönlich mir ziemlich viele Feinde auch gemacht…dazu beigetragen, daß Herr Hohmann öffentlich als Antisemit wahrgenommen wurde. Beginnend in der Süddeutschen Zeitung, endend im Frühstücksfernsehen des ZDF… am Nachmittag ist der Hohmann dann ausgeschlossen worden von der CDU, von der CDU-Fraktion. Da brauchen Sie mir doch jetzt nicht mit meinem Buch hier kommen …
Pallade:
Aber hier stehts doch drin!
Benz:
Aber wir langweilen das Publikum und sollen …

Beifall aus dem Publikum!

Pallade:
Ich kann dieses Buch nur jedem wärmstens empfehlen zu kritischen Lektüre.
Benz:
Ich danke Ihnen herzlich…hören Sie auf ihn, er hat Ihnen mein Buch empfohlen. Aber jetzt bitte Schluß mit den Faxen.
Schwarz-Friesel:
Meine Damen und Herren, Antisemitismus-Forschung ist auch unter Antisemitismus-Forschern ein hochemotionales Thema, fairerweise muß ich wirklich sagen, wenn Sie jetzt eine Stelle zitiert hätten, wo gestanden hätte, Hohmann hat keine antisemitische Rede gehalten, aber das Herr Benz nie gesagt, ich erinnere mich an dieses Frühstücksinterview, ich hab sogar das Video in einer Vorlesung gezeigt, wo es um verbalen Antisemitismus ging, und wo viele der Studierenden sich noch vehement gewehrt haben und gesagt haben, wo ist denn hier offener Antisemitismus. Und dann habe ich Argument für Argument, Stereotyp für Stereotyp, ich kürz das jetzt ab, und hab gesagt, jetzt sollen sie noch das Statement eines Experten hören, und da hat dann niemand mehr was gesagt. Kommen wir aber noch mal zurück zu den Institutionen. Wir haben ja nun schon so viele Lippenbekenntnisse , so viele Regierungserklärungen, und turnusgemäß haben wir immer wieder den Appell, etwas gegen Antisemitismus zu tun. ich würd gern ein bißchen in die verantwortung, die Verantwortlichkeit der Regierenden gehen, also unserer Politik. Wo bleiben die Konsequenzen der Antisemitismus-Forschung? Das fragen wir uns natürlich auch. Warum wird von der Politik vor allem das rechtsradikale Spektrum immer genannt und vorgeschoben, und tatsächlich der seit langem in der Mitte der Gesellschaft ex. Antisemitismus ungern erwähnt.


Joachim Landkammer zu Adornos Jazz-Thesen


Adorno ist auf seine Weise ein George W. Bush des Geistes, der zwar nicht der Chimäre des„internationalen Terrorismus“, aber der des faschistoid-kapitalistischen Bürgertums und dessen kulturindustriellen Machenschaften nachjagt und schon einmal mit der gesamten hoch technifizierten Begriffs-Streitmacht seiner geballten philosophischen Bildung in das kleine Land „Jazz“ einfällt, um es in Schutt und Asche zu legen, nur weil ein (nicht nachweisbarer) Verdacht besteht, daß dieses Land (dessen Sprache er nicht spricht und über das er sich vorher nur ansatzweise informiert hat) insgeheim mit der Herstellung von Massenverdummungsmitteln beschäftigt ist….

Das psychobiographische Element wird aber vor allem dann klarer, wenn man Adornos in den Minima Moralia (Aph. 123) beschriebenes Leiden in der Schulzeit zur Kenntnis nimmt. Die „Schulkameraden“ waren für unseren Theodor die ersten Faschisten, lange bevor es den Faschismus gab. In seiner Erinnerung werden 1935 die „deren Hallo kein Ende nahm, wenn der Primus versagte“ und die „keinen richtigen Satz zustande brachten, aber jeden von mir zu lang fanden“ zu den Prototypen der nationalsozialistischen Folterer und Mörder. Der Haß des Klassenkollektivs, der ihm offenbar als schon damals kompliziert redendem Klassenprimus entgegenschlug, wird umstandslos von der biographischen Mikroebene auf die Makroebene der Welt-Geschichte projiziert (als ob es ein Klassenprimus nicht immer und überall auf der Welt schwierig gehabt hätte und haben wird). Aber auch hier, bei allem Mitleid: wir kennen diesen Typus. Wir verstehen. Man darf hier einmal zynisch sein: hier kultiviert ein Schwächling sein Ressentiment gegen die physische Überlegenheit der pöbelhaften Masse.

Adorno selbst ist der angstgetriebene, einzelgängerische Besser- und Alleswisser, der angesichts seiner geistigen Superiorität seine physische Unterlegenheit als eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und Schmach empfindet und daher die vielen, stärkeren, dümmeren Anderen auch moralisch disqualifizieren muß. Kein Wunder daher, daß die wildgewordene Horde, die pogrombereite Meute auch hinter dem Jazz steht: „Ich erinnere mich deutlich, daß ich erschrak, als ich das Wort Jazz zum ersten Male las. Plausibel wäre, daß es vom deutschen Wort Hatz kommt und die Verfolgung eines Langsameren durch Bluthunde entwirft“.

Das sind offensichtliche Wahnphantasien des Klassenbesten, der im Sportunterricht, in der Turnhalle den Klassen-Bluthunden wehrlos ausgesetzt, immer der Letzte, Ungeschickteste und eben der Langsamste ist. Lassen Sie es mich so brutal wie nur möglich sagen: Das „W“ in Theodor W. Adorno steht für „Weichei“.


Walter von Waltershausen über Jazz

Der von Adorno oben zitierte Walter von Waltershausen schrieb 1928 in Heft 1 der Neuen Musikzeitung 1928, S.11/12 zum Thema „Tradition und Fortschritt“:


„Das Saxophon klingt wie der Gesang eines kastrierten Negers, wie der eines vom Mann emanzipierten weiblichen Neutrums. Mit den primitiv-vitalen Rhythmen der Negermusik wurde Eros eine rein physische Angelegenheit. An Stelle der seelischen Erregung trat die aus dem Bauchtanz und Verwandtem wohlbekannte Reizung des Vibrationssinnes hervor.“

Links sowie Literatur

[1] Gastautor auf der Achse des Guten zum Symposium in Jena
[2] Wolf Schneider: Deutsch für Kenner
[3] 2003: Joachim Landkammer: Adorno, der Jazz …und wir. Ein club-talk
[4] Th.W. Adorno, Über Jazz, in: ders., Ges. Schriften, Bd. 17, Frankfurt am Main 1982, S. 74-108

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