Am 9.Oktober 2007 wurde Eva Herman von Johannes B.Kerner „freundlich“ aus dessen Talkshow verabschiedet. Tags darauf fühlte Stefan Raab sich an die Nürnberger Prozesse erinnert und benannte JBKs Sendung in „Scharfrichterin Barbara Kerner“ um, ahnte aber wohl nicht, dass schon einen Monat später „Scharfrichterin Kerner“ vor versammeltem Publikum eine neue Hinrichtung vollzog. Diesmal traf es den britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins , dessen Buch „Der Gotteswahn“ und seine provozierende Gegenwart den anwesenden Bischöfen, Ex-Bundesministern und Hobby-Scharfrichtern im Publikum die Zornesröte ins Gesicht trieb. Wieder waren es wie bei Eva Herman drei Teilnehmer gegen einen, und wieder war der Talkmaster auf der „sicheren“ Seite, denn auch er wollte ja wie die Bischöfe am Ende der Sendung mit einem Heiligenschein aus der Sendung gehen.
JBKs Haudrauf-Konzept
Ein auf Ausgewogenheit achtender Moderator hätte allerdings bei einer angemessenen Vorbereitung der Sendung genug kompetente Vertreter eines humanistischen Atheismus einladen können, wie zum Beispiel den Evolutionstheoretiker und Zoologen Franz M. Wuketits, den Hirnforscher Wolf Singer, den Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera, oder auch, um nicht nur Akademiker zu nennen, die Schauspielerin Lilly Walden, den Comic-Zeichner Ralf König oder die Publizistin Mynga Futrell. Doch dann wäre JBKs Haudrauf-Konzept womöglich in sein Gegenteil umgeschlagen: denn zwei deutsch sprechende wortgewandte Naturwissenschaftler wie etwa Singer oder Wuketits hätten ebenso wie Lilly Walden oder Ralf König JBK und seinen Bischöfen mitsamt dem „Neu-Testamentler“ Heiner Geißler die Show gestohlen. Dass ein solches relativ ausgewogenes Medienspektakel womöglich sogar mehr Quote gebracht hätte als diese Sendung, in der ein Angeklagter unter dem Dauerfeuer von vier Personen und behindert durch eine miserable Simultanübersetzung die wenigen male, wenn er überhaupt etwas sagen durfte, auch noch unterbrochen wurde, das wäre gar nicht mal auszuschliessen gewesen.
Doch Kerners Ding ist dies nicht, er bevorzugt mediale Inquisitionen mit garantiertem Applaus des Publikums.
Klare Mehrheiten
So waren die Mehrheiten von Anfang an im Sinne einer öffentlichen Verurteilung vorgegeben. Wie bei Eva Herman hatte auch diesmal das „Opfer“ keine Chance gegen seine Gegner, die ihm bei fast jedem Satz sofort ins Wort fielen und dann ausgiebigst in ihrem sonderbaren Kirchenjargon eine Plattheit an die andere reihten. In diesem Fall trug besonders die Simultanübersetzung für den nicht des deutschen mächtigen Dawkins dazu bei, dass die anwesenden bischöflichen Frömmler und Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler den Biologen immerzu unterbrechen konnten, ohne dass dieser Gelegenheit zu einer Antwort bekam.
Das ganze Spektakel spricht jeder ernsthaften Bemühung um intellektuelle Fairness Hohn. Bewundernswert in dieser Situation war eigentlich nur die konstante Ruhe, mit der Dawkins auf die hektisch vorgetragenen Angriffe reagierte.
Mehr noch: Dawkins ist es hoch anzurechnen, dass er nicht wie Joachim Bublath eine Woche zuvor bei Maischberger den Raum verlassen hat, unterschieden sich doch seine Mitdiskutanten im Niveau ihrer Argumente kaum von der durch Außerirdische und fliegende Untertassen erleuchteten Nina Hagen, die nach dem Weggang von Joachim Bublath in Freudenschreie ausbrach und nicht vergass zu erwähnen, dass es noch schöner wäre, wenn George Bush und die anderen Bösen auch noch alle abhauen würden, eine Ansicht, der Heiner Geißler sicher gerne zugestimmt hätte. Diesem Gebräu aus „Sünde, Werte, Glaube, Menschenwürde, Gott ist die Antwort auf die Frage: warum bin ich“ nüchtern geantwortet zu haben ist das Verdienst eines Mannes, der genau aus diesem Grunde den eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Oxford innehat: er vermag es, komplizierte Sachverhalte aus der Naturwissenschaft so darzustellen, dass auch diejenigen es verstehen, denen mathematische Formeln fremd sind und die einfach nur wissen wollen, was ein „schwarzes Loch“ ist. Oder ein egoistisches Gen.
Doch das wollten die Bischöfe Wolfgang Huber und Hans-Jochen Jaschke natürlich gar nicht. Sie interessieren sich weder für weiße noch schwarze Löcher, ihnen ging es vorwiegend darum, ihren Berufsstand zu verteidigen, den sie durch das Buch von Dawkins angegriffen sahen.
Gleich zu Anfang des Tribunals, als Dawkins ausnahmsweise ein paar zusammenhängende Sätze sagen durfte (später wollten alle immerzu Fragen stellen, ohne auf Antworten des Biologen Wert zu legen), kommentierte dieser den eingangs gezeigten Film über sein Buch: dort seien nur die extremsten Stellen seines Buches besprochen worden, obwohl dieses Buch doch insgesamt viel humorvoller und zurückhaltender sei. Diese Äußerung wurde von der Kameraführung flugs durch einen Schwenk zu den Bischöfen, die sich gegenseitig angrinsten, in ein anderes Licht gerückt: man wollte ja „ausgewogen“ sein….
Hubers „symmetrischer Fundamentalismus“
Kaum hatte Dawkins seine knappen Ausführungen über das, was er an Religionen und „Glauben“ generell kritisiert, beendet, wurde Huber vom Scharfrichter JBK, im Nebenberuf Medienberater der evangelischen Kirche in Deutschland, gefragt, ob ihm bei der Lektüre des Buches von Dawkins denn auch mal zum Lachen zumute gewesen sei:
Original Huber:
Als ich von dem Buch gehört habe, habe ich gedacht: es gibt in der Tat eine Wechselwirkung zwischen fundamentalistischen Strömungen, die sich in den Religionen gegenwärtig ausbreiten, und einem ganz symmetrischen Fundamentalismus eines aggressiven Atheismus.
Huber, mit straff nach oben stehender Bürstenhaarfrisur den jugendlichen Banker aus Frankfurt mimend, schien keinen besonderen Grund zum Lachen gehabt zu haben. Er begab sich jetzt mit seiner Antwort auf Kerners Frage in das von ihm bevorzugte Milieu der pseudowissenschaftlichen Laberei, die man als „Professor der Theologie“ perfekt beherrscht. Eine Regel dabei ist: Reihe so viele unbewiesene Behauptungen so schnell wie möglich aneinander und unterbreche den Gegner, wenn er gerade dabei ist, auf deine allererste Behauptung zu antworten.
Das klappt im Fernsehen immer, wenn man den Moderator, die anderen Teilnehmer der Show und die politisch korrekten Claqueure im Publikum auf seiner Seite hat – wie bei JBK.
Nehmen wir Huber beim Wort: er hat von dem Buch gehört (wohlgemerkt: nur gehört, nicht gelesen!), und schon gibt es für ihn „in der Tat“ einen „ganz symmetrischen Fundamentalismus eines aggressiven Atheismus“.
Die Antwort auf die (nicht gestellte, da nicht erlaubte) Frage, wie man daraus, dass man von einem Buch „gehört“ hat, eine solche Schlußfolgerung ziehen kann, kann man sich leicht denken: in Hubers Gedankenwelt ist Atheismus schon von vornherein „aggressiv“, dazu braucht es nicht noch dieses Buch des Naturwissenschaftlers Dawkins. „Der Gotteswahn“ bestätigt in seinen Augen nur, was er schon immer „wußte“.
Fragen nach dem Beweis seiner Behauptung und nach der Definition seiner Begriffe sind für Huber und seinen Kollegen Jaschke überflüssig. Denn im Huberschen Theologenhirn gibt es eine neuronale Einbahnstrasse, die jeden in die falsche Richtung laufenden Gedankenflitzer schnell zur Anzeige bringt: Stop! Umkehren! Und bloß nicht anfangen, die eigenen Sätze im einzelnen zu diskutieren, sondern möglichst schnell sehr viele „Glaubenssätze“ von sich geben und bei unangenehmen Fragen immer auf den „Glauben“ hinweisen. Damit kann man fast alles abbügeln.
Gibt es diesen „aggressiven Atheismus“ ? Wenn ja: wo sind dann die vielen aggressiven Atheisten als Pendants („symmetrisch“) zu den massenhaft auftretenden aggressiven „Gläubigen“ insbesondere der islamischen Religion? Wo sind die „aggressiven“ Atheisten, die ihre Gegner auf Scheiterhaufen verbrennen lassen, die Christen verbieten woll(t)en, an die Erde als Scheibe zu glauben, die all jene, die sich nicht an ihr Glaubensbild halten, köpfen, schlachten, oder steinigen wollen?
Wo sind atheistische Selbstmordattentäter, Bombenwerfer und Haßprediger? Wo rufen diese auf, ihre Gegner zu steinigen, ihnen den Kopf abzuschneiden oder sie zu foltern? Das möchte uns Huber lieber nicht sagen, es reicht ihm anscheinend schon der eine, der zwei Stühle weiter entfernt sitzt: Richard Dawkins, der Leibhaftige.
Hubers „symmetrischer Fundamentalismus eines aggressiven Atheismus“ ist durch nichts belegt und eigentlich nur die typische Reaktion desjenigen, der im Glashaus seines eigenen Fundamentalismus sitzt und nun mit Steinen um sich schmeißt.
Naturwissenschaftler schmeißen dagegen mit Argumenten und Beweisen und haben überhaupt nichts dagegen, wenn ihre Beweise von anderen kritisch geprüft werden. So wurde etwa der Beweis des großen Satzes von Fermat durch den britischen Mathematiker Andrew Wiles 1984 zwei Jahre lang von hunderten Mathematikern weltweit auseinandergenommen, bevor dieser Satz als endgültig bewiesen gelten konnte. Das ist eben der Unterschied zu einem „Lehrsatz“ des Papstes: nicht einer sagt etwas und alle anderen haben das zu befolgen, sondern alle anderen prüfen erst mal nach den Regeln der Logik, ob der Satz überhaupt stimmt.
Original Huber in JBKs Sendung:
Und das hat sich bei der Lektüre dieses Buchs weit mehr bestätigt, als ich je erwartet hätte.
Das Buch ist sehr fundamentalistisch, es macht den Atheismus zum Glaubensgegenstand, es vertritt ihn mit einem Absolutheitsanspruch, den ich schon lange nicht mehr gesehn habe, und es wertet alle anderen Haltungen ab, in einer Weise, die ich menschlich sehr problematisch finde.
Vier Behauptungen Hubers, und alle vier sind weder plausibel noch wurden sie im Gespräch bewiesen. Doch auf argumentieren, abwägen, diskutieren und zuhören legt man in dieser Talk-Show auch keinen Wert. Schon gar nicht auf logisches Schlußfolgern. Für alle vier Behauptungen blieb Huber den Beweis schuldig. Eine faire, logische Auseinandersetzung hätte dazu geführt, daß die Aussagen nun an Hand von Zitaten aus Dawkins Buch diskutiert worden wären. In diesem Rahmen hätte Dawkins auch genügend Gelegenheit zu einer Stellungnahme gehabt.
All das fand jedoch nicht statt. Das Interesse an einem medialen Massaker ist anscheinend umgekehrt proportional zur Fähigkeit, in einem Gespräch mit Andersdenkenden geduldig zuzuhören und eine logische Beweisführung zu akzeptieren.
Hubers Appell: tretet in einen offenen Dialog ein
Diese Unfähigkeit wird auch nicht gemildert durch ein scheinbar versöhnliches Statement am Ende des ersten Beitrags von Bischof Huber:
Original Huber bei JBK:
Deswegen meine Bitte: tretet in einen offenen Dialog ein, lasst den Fundamentalismus hinter euch, sowohl auf der Seite der Religion als auch auf der Seite des Atheismus.
Wen er da eigentlich meint, ist nicht so ganz ersichtlich. Einen massenhaft verbreiteten Fundamentalismus auf Atheistenseite gibt es sowieso nicht, weder auf den Seiten der Brights ([15]), des humanistischen Pressedienstes ([16] noch denen der Giordano-Bruno-Stiftung [17]), um nur drei große Organisationen (eine davon weltweit verbreitet) zu nennen, die sich offen zum Atheismus bekennen. Die Aufforderung zum Dialog könnte also höchstens an seine eigene Klientel gerichtet sein, die sich anscheinend schon deshalb nicht mehr fundamentalistisch vorkommt, weil sie den Begriff der Hölle nicht mehr gar so wörtlich nimmt wie seinerzeit noch Thomas von Aquin, der Häretiker mit Exkommunikation und Todesstrafe bedrohte.
Doch die Aufforderung zum Dialog ist in unserer Zeit zu einem Multikulti-Dogma verkommen, das so sinnlos wie gefährlich ist. Als am 2.November 2004 in Amsterdam der holländische Regisseur Theo van Gogh auf offener Strasse von einem Islam-Gläubigen auf furchtbarste Weise abgeschlachtet wurde, rächte sich die jahrelange Toleranz und „Dialogbereitschaft“ in den Niederlanden gegenüber den Muslimen. Frauen wie Ayan Hirsi Ali und Seyran Ates, ehemalige Musliminnen, die den Koran selbst als Quelle für Gewalt und Mißhandlungen darstellen, bezahlen ihre Dialogbereitschaft mit Todesdrohungen und können nicht ohne Polizeischutz leben.
Huber: Der Nahe Osten braucht Feindesliebe
Besonders überflüssig sind diese „Dialog“-Aufforderungen von kirchlicher Seite, wenn es um den Nahostkonflikt geht. Bei diesem Thema haben sich deutsche Bischöfe schon häufig die Zunge verbrannt, und gerade hier zeigt sich, wohin „Glaubenssätze“, Multikulti-Kuschelei und das ungeprüfte Übernehmen der Berichte über die Situation in Israel und dem Nahen Osten führen können:
Der Nahe Osten brauche Feindesliebe, so Bischof Wolfgang Huber. [2] Anders könne Hass und Unversöhnlichkeit kein Ende finden.
Wie man mit dieser Devise den religiösen Haß von Hamas und Hisbollah beseitigen kann, bleibt Hubers Geheimnis. Während er gegenüber radikalen Muslimen und Palästinensern „Dialogbereitschaft“ signalisiert, sparte Huber wie sein Vorgänger Manfred Kock dagegen nicht mit Kritik an den Israelis:
- Nach Hubers Meinung schränkt der Sperrzaun, die Rechte der palästinensischen Bevölkerung auf Freizügigkeit ein([3])
- Manfred Kock behauptet nach einem Israel-Besuch 2003, daß die Israelis den Palästinensern die Entfaltung in einem eigenen Staat verweigern, was ganz offensichtlich nicht stimmt. Dies schaffe eine «Desperado-Mentalität» [3]
- die israelischen Grenzbefestigungen zu den Palästinenser-Gebieten kritisierte Kock als «schreckliches Symbol der Ausweglosigkeit»
Auch hier in Deutschland geht es Huber vor allem darum, die Muslime doch ja nicht „pauschal zu verdächtigen“ ([6]):
«Ein solcher Generalverdacht schürt den Hass und vergiftet das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft»
Es ist aber genau andersherum: Wer in der deutschen medialen Öffentlichkeit es wagt, den Islam als Religion wegen der im Koran ausdrücklich geforderten Tötung von Ungläubigen zu kritisieren, wer wie Henryk Broder immer wieder betont, daß nicht alle Muslime Terroristen, aber fast alle Terroristen Muslime sind, der steht sofort unter dem Generalverdacht der Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und womöglich noch der Nähe zum Nationalsozialismus.
Dass Hitler selbst vom Glauben an die eigene Vorsehung, spätestens nach dem Stauffenberg-Attentat 1944, geradezu besessen war, dass er vom ehemaligen RAF-Anwalt und heutigen bekennenden Holocaust-Leugner Horst Mahler sogar als Erlöser des deutschen Volkes gefeiert wird, und das auch noch ganz öffentlich in einem Interview mit Michel Friedmann in der Zeitschrift Vanity Fair, das alles zeigt, dass Menschen, die einem unbegründbaren, dogmatischen und wissenschaftsfeindlichen „Glauben“ huldigen, leider auch sehr häufig anfällig für Gewalt und Machtmißbrauch sind.
Bischof Jaschke: Die Gestalt Jesu Christi als die leibhaftige Auslegung der Bibel
Hatte Dawkins überhaupt eine Chance in diesem Gespräch, seine grundsätzlichen Ansichten aus seinem Buch darzustellen und auf die Fragen der Teilnehmer angemessen zu antworten?
Ich glaube nein. Es gab nämlich auch Antworten (auf Kerners Fragen) wie die folgende des Hamburger Weihbischofs Jaschke:
Original Bischof Jaschke:
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bibel, richtig verstanden, dass die Gestalt Jesu Christi als die leibhaftige Auslegung der Bibel uns zu einer humanen Religion führt. Ich erschrecke, wenn Herr Dawkins da mit Thesen kommt, die er als Wissenschaftler, als Naturwissenschaftler begründet und beweisen will, dass die Bibel ein unmenschliches Buch ist. Sie verlassen auch die Methode eines aufrichtigen und aufrechten Wissenschaftlers, Herr Dawkins.
Hier wäre der Zeitpunkt gewesen, dem ganzen Spektakel den Rücken zu kehren.
- „die Gestalt Jesu Christi „….
- „leibhaftige Auslegung der Bibel“
- „humane religion“
Jaschkes Geschwätz ist eine so schaurige Aneinanderreihung von sinnlosen Worten, dass man sie höchstens in den Ausdrucks-Fundus für eine religiöse Sprücheklopfer-Maschine stecken kann, wie man sie etwa im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Form einer doppelten Pappscheibe bekommt, auf der man durch Drehen aus einer begrenzten Auswahl von typischen Politikersprüchen einen Satz konstruieren kann, der jederzeit im Bundestag ohne Aufsehens von Poltikern in einer Rede vorgebracht werden kann.
Wir hätten es Richard Dawkins nicht übelgenommen, wenn er wie seinerzeit Helge Schneider bei Thomas Gottschalk ein kleines Büchlein aus seiner Jackentasche genommen und darin zu lesen begonnen hätte, bis der Bischof mit seiner „Predigt“ am Ende war.
Heiner Geißler: Ableitung der Menschenrechte aus dem neuen Testament
Auf den „Neutestamentler“ Heiner Geißler einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Nur so viel sei gesagt: Geißlers „Ableitung“ der Menschenrechte aus der Menschenwürde anhand von Beispielen aus dem neuen Testament ist so lächerlich, dass einem glatt das Lachen vergeht. Da erzählt er von Jesus, wie er Aussätzigen, Fremden, Ausländern, Behinderten und Frauen geholfen und damit die menschliche Würde begründet habe. Abgesehen davon, dass im neuen Testament berichtet wird, dass Jesus einer Ehebrecherin „ihre Sünden“ vergab, ihr gleichzeitig aber auftrug, in Zukunft das Sündigen doch bitte zu lassen, mit anderen Worten ihr eingeredet hat, dass Ehebruch eine Sünde wäre, was in gewissen amerikanischen Sekten noch heute geglaubt wird (möglicherweise auch bei Katholiken), ist die großartig vorgetragene Behauptung, die „menschliche Würde sei also aus diesen Taten“ hervorgegangen, genauso unbeweisbar wie die Behauptung, der „Sinn des Lebens liege in Gott“ oder ähnlicher Unfug.
Ein ums andere mal zeigt sich in diesen Diskussionen:
die Herren Bischöfe und der Evangeliums-Prediger Geißler (den Moderator JBK kann man sowieso nicht ernst nehmen) haben noch nie in ihrem Leben einen Blick über den Rand ihres ärmlichen Weltbildes gewagt. Sie kennen weder „Das egoistische Gen“ von Richard Dawkins noch dessen Beschreibung der Wunder der Evolution in seinem Buch „Gipfel des Unwahrscheinlichen“, sie kennen nicht Frans de Waals „der gute Affe“, in dem der Autor mit naturwissenschaftlichen Methoden dem Ursprung von Recht und Unrecht bei Menschen und anderen Tieren nachgeht, sie haben noch nie etwas von Robert Axelrods „Die Evolution der Kooperation“ gehört, in der kooperatives Verhalten mit mathematischen Methoden untersucht wird, auch Steven Pinkers „Das unbeschriebene Blatt – die moderne Leugnung der menschlichen Natur“ ist ihnen unbekannt, obwohl gerade Pinker als Evolutionspsychologe und Kognitionswissenschaftler auf wachsendes Interesse an den deutschen Universitäten stößt. Geißler, Huber und Jaschke sollten sich vielleicht auch mal an die Lektüre eines wunderbaren Buches von Carl Sagan (Foto links)machen, jenem Astrophysiker, dessen Frau vor vielen Jahren für die erste Voyager-Mission eine Zeichnung anfertigte, auf der man den ausserirdischen Lebewesen, die vielleicht einmal das Voyager-Raumschiff finden würden, einen Eindruck in Form einer Skizze von der Gestalt des Menschen geben wollte. Auf ihrer ersten Zeichnung war mit einem winzigen Strich angedeutet das Geschlechtsteil eines weiblichen Menschen zu sehen, welches dann auf Protest von – nein, nicht von Atheisten – einflussreichen Kirchenverbänden wieder entfernt wurde. Die Ausserirdischen bekommen also eine „anständige“ Version – wann, steht allerdings in den Sternen.
Sagans Buch „Der Drache in meiner Garage – oder die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven“ sollte man Geißler und den Bischöfen sehr empfehlen, damit sie einen Vorgeschmack davon bekämen, wie es ihnen ergehen würde, wenn sie etwa mit Joachim Bublath, dem Mathematiker und Spieltheoretiker Pierre Basieux, und, sagen wir, dem Physiker und Biologen Karl Grammer (auf deutsch!) über die Frage des freien Willens, die menschlichen Würde, die biologischen Grundlagen der Liebe und den Altruismus im Tierreich diskutieren würden. Sollten die Herren um des Geschlechterproporzes willen noch die Bischöfin Kässman herbeiholen, so würden wir der die Evolutionspsychologin Susan Blackmore gegenübersetzen. Mit der kann man sich gut über die „Macht der Meme“ unterhalten, und Frau Blackmore könnte ja von Kerner mit folgendem Satz aus diesem Buch zitiert werden:
Schließlich gibt es viele Religionen, die Sex benutzen, um sich auszubreiten“. Das wäre sicher provozierend genug, um drei Theologen so zu beleidigen, dass sie freundlich lächelnd den Saal verlassen könnten.
Es wäre aber noch eine andere Talk-Show Variante denkbar.
Z.B. könnte man Geißler, Huber und Jaschke mal mit den drei jüdischen Nobelpreisträgern Baruch S. Blumberg (Medizin 1976), Jerome Karle (Chemie 1985) und Rudolph A. Marcus (Chemie 1992) zusammenbringen, die es als ein Desaster insbesondere in Deutschland empfinden, wenn Menschen in die Forschung eingreifen, die weder von Wissenschaft im allgemeinen noch von Genetik im besonderen Ahnung haben.
[18]
Wen sie da wohl gemeint haben????
[1] Kerners Sendung vom 15.11.2007
[2] Bischof Hubers Predigt zum Israelsonntag am 20. August 2006 im Berliner Dom
[3] Huber rügt Errichtung eines Sperrzauns um die Palästinenser-Gebiete 2003
[4] Huber 2004: Im Christuskind nimmt Gott Wohnung in der Welt
[5] Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands vertritt 10,4 Millionen Menschen in Deutschland
[6] 27.03.2004: Huber warnt vor pauschaler Verdächtigung von Muslimen
[7] 25.03.2004: Nach Hubers Ansicht sind die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September zu weit gegangen
[8] 10.11.2004: Huber ruft Muslime und Christen zu Verständigung auf
[9] 31.12.2004: Bischof Huber: Flutkatastrophe zeigt Menschen Grenzen seiner Macht
[10] Israelsonntag 2003:EKD ruft am Israelsonntag zum Frieden im Nahen Osten auf
[11] 17.09.2003: Kock rügt israelische Grenzbefestigungen zu Palästinenser-Gebieten
[12] «Zwischen allen Stühlen» – Protestanten im Heiligen Land (2003)
[13] 2003: Bischof Huber neuer EKD-Ratsvorsitzender
[14] Alan Posener in der WELT am 16.11.2007 zu Kerners Dawkins-Tribunal
[15]Die Brights zu Kerners Show
[16] Humanistischer Pressedienst
[17] Giordano Bruno Stiftung
[18] Israel, die Spieltheorie und der Nobelpreis
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